Eine kryptische Botschaft aus der Vergangenheit

Das abgebildete, von dem St.Galler Künstler Richard Schaupp (1871–1954) entworfene Plakat aus dem Jahr 1899 lässt den heutigen Betrachter ratlos zurück. Einen Anhaltspunkt scheint höchstens der Mann im Vordergrund zu bieten. Bei ihm – könnte man meinen – handelt es sich um einen Glarner Helden aus der Vergangenheit, trägt er doch historische Bekleidung und hält eine Fahne mit dem heiligen Fridolin in der Hand. Eine Anspielung auf die Schlacht bei Näfels (1388) also? Aber wie passt der Slogan damit zusammen?
Die Lösung des Rätsels liefert eine Notiz in der Chronik der Stadt Zürich vom 19. August 1899:
«Unter den vielen künstlerischen Plakaten, welche ihr Entstehen gleichzeitig der Hebung des Kunstbedürfnisses und den Fortschritten der Reproduktionstechnik verdanken, verdient das von der «Schweiz» herausgegebene, einen Glarner Fahnenschwinger darstellend, besondere Erwähnung. Es ist ein polychromer Facsimiledruck nach einer Kohlenzeichnung von Richard Schaupp, einem in München wirkenden Schweizer Künstler. (…) Der Schwinger selbst, ein echter rechter Sohn der Berge, hält die voll entfaltete Fahne mit dem heiligen Fridolin, keck und mutig ins Freie blickend.»
Mit der «Schweiz» ist eine illustrierte Zeitschrift gemeint, die von 1897 bis 1921 im Verlag des Polygraphischen Instituts in Zürich erschien und von Anfang an viel Beachtung in der Deutschschweizer Presse fand. So wurden in regelmässigen Besprechungen nicht nur die Inhalte, sondern auch die graphische Gestaltung einzelner Hefte in den höchsten Tönen gelobt. Kein Wunder, zeichneten dafür doch unter anderem Künstler wie Ferdinand Hodler, Carl Liner oder eben Richard Schaupp verantwortlich. Dessen Plakat stellt somit eine aus heutiger Sicht eher ungewöhnliche Zeitschriftenwerbung dar.
Das Sujet auf dem Plakat gehört dabei zu einer Bilderserie von Fahnenschwingern und anderen symbolischen Darstellungen verschiedener Kantone, die 1900–1901 die Titelblätter zahlreicher Hefte der «Schweiz» schmückten. In derselben Zeit entwarf Schaupp ausserdem 25 Fahnenschwinger-Postkarten, die anscheinend nur in der Burgerbibliothek Bern neues Fenster überliefert sind.
Auch dieses Werk wurde mit Anerkennung aufgenommen. So heisst es im Intelligenzblatt für die Stadt Bern vom 24. September 1900:
«Die Idee des Künstlers und ihre Ausführung sind gleich treffliche. Im Vordergrund jeder Karte steht jeweilen eine markige Männergestalt, zumeist ein Krieger in mittelalterlicher Kleidung, mit einer Fahne resp. Flagge in der Hand. Für jeden Kanton ist eine besondere Karte gezeichnet worden, jede originell; vorn sehen wir jeweilen das betreffende Kantonswappen, im Hintergrund eine Partie aus dem Hauptort des betreffenden Kantons. (…) Das sind wieder einmal Karten, die künstlerischen Wert besitzen, denen also weiteste Verbreitung zu wünschen ist.»
Übrigens: «Die Schweiz» kann heute in digitaler Form auf e-periodica neues Fenster gelesen werden. Auf der Plattform sind auch Zeitschriften aus dem Kanton St.Gallen zu finden. Ein Blick lohnt sich!