Ein fast vergessener St.Galler Grafiker

Zu den Gestaltern von Maestrani-Plakaten gehören so prominente Schweizer Künstler wie Donald Brun, Celestino Piatti oder Werner Weiskönig. Mit ihren zahlreichen, zum Teil prämierten Werken prägten sie zeitlebens die hiesige Grafik und sind deshalb in den einschlägigen Künstlerlexika zu finden. Ganz anders Alfred Widmer, dessen oben abgebildetes Plakat ebenfalls ein grosses künstlerisches Potenzial erkennen lässt. Von ihm sind darüber hinaus lediglich ein paar Werke aus den 1930er Jahren überliefert. Kein Wunder also, dass man seinen Namen vergeblich in den fachspezifischen Nachschlagewerken sucht. Doch wer war dieser Mann und warum endete sein beruflicher Werdegang so abrupt?
Ein in der Zeitschrift «Gallus-Stadt» entdeckter Nachruf, aus dem übrigens das Porträtbild stammt, bestätigte eine vage Vermutung: Es war sein früher Tod, der Widmers vielversprechender Karriere ein jähes Ende setzte. Da er sein ganzes Leben lang mit St.Gallen verbunden war, bietet das Sangallensien-Jubiläum die perfekte Gelegenheit, an den Künstler zu erinnern.

Alfred Widmer gehörte zur gleichen Generation wie Donald Brun (geb. 1909) und Werner Weiskönig (geb. 1907). Er stammte aus einfachen Verhältnissen und arbeitete sich nach dem frühen Tod seines Vaters schrittweise zu einem angesehenen Grafiker empor. Bereits 1927/1928, d.h. im Alter von ungefähr 19 Jahren, liess er sich als «Entwerfer» in das St.Galler Adressbuch eintragen. Offenbar stieg er beruflich schnell auf, denn 1930/1931 eröffnete er sein erstes Atelier an der Kornhausstrasse 5. Dieses zog in den folgenden Jahren mehrmals um, befand sich aber immer an einer zentralen, zum Teil prestigeträchtigen Stelle in der Innenstadt und verfügte ab 1933/1934 über einen Telefonanschluss. Auch privat schien es dem Grafiker gut zu gehen: Er heiratete und zog 1937 mit seiner Familie an die Hebelstrasse 15 in St. Georgen. Er wirkte aktiv im dortigen Turnverein.

Widmer starb unerwartet am 17. Januar 1944 im Alter von 35 Jahren. Er hinterliess eine Frau und zwei Kinder. Durch seinen vorzeitigen Tod verlor St.Gallen einen talentierten Künstler, der durchaus das Potenzial hatte, ein zweiter Weiskönig zu werden.