Gaumenfreude und Augenweide

Mitten im Zweiten Weltkrieg, im Herbst 1943, fand in St.Gallen die erste Ostschweizerische Land- und Milchwirtschaftliche Ausstellung (OLMA) statt. Sie knüpfte an die beiden im Zusammenhang mit der sogenannten Anbauschlacht gezeigten landwirtschaftlichen Ausstellungen von 1941 und 1942 an. Während diese mit 27'000 bzw. 20'000 Eintritten auf eher mässiges Interesse gestossen waren, erwies sich die OLMA als Publikumsmagnet, der 91'500 Menschen anzog. Ein Jahr später stieg die Besucherzahl sogar auf 135'500, was die Organisatoren ermutigte, eine alljährliche Wiederholung der Veranstaltung sicherzustellen und deren Anerkennung als nationale Messe zu beantragen. Im Mai 1946 entsprach der Bundesrat dem Gesuch und stellte die OLMA den Messen von Basel (Mustermesse), Lausanne (Comptoir suisse) und Lugano (Fiera Svizzera) gleich. Dementsprechend wurde auch der Name in Schweizer Messe für Land- und Milchwirtschaft geändert, wobei die ursprüngliche Abkürzung nun als Marke fungieren sollte.

Doch es ist nicht nur die Messe selbst, die auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblickt. Einen Kultstatus geniessen ebenfalls die OLMA-Plakate. Neben Werner Weiskönig, von dem die zwei ältesten, hier abgebildeten Sujets stammen, zeichneten dafür unter anderem Pierre Gauchat, Alois Carigiet und Ruedi Külling verantwortlich. Kein Wunder also, dass zwischen 1943 und 1990 nicht weniger als 13 Werke vom Eidgenössischen Departement des Innern prämiert wurden. Damit spielte die OLMA in derselben Liga wie das Gewerbemuseum Basel (17 Auszeichnungen), das Kunsthaus Zürich (16) oder die Mustermesse Basel (13).

Am Wettbewerb für das OLMA-Werbesujet beteiligen sich regelmässig auch junge Talente. So setzte sich 2003 der 25jährige Michael Ziska, Schüler der Grafikfachklasse an der Schule für Gestaltung Bern und Biel, mit einem Entwurf durch, mit dem er für Gesprächsstoff sorgte. Auf seinem Plakat neues Fenster ist nämlich die wohl berühmteste St.Galler Spezialität dargestellt: die OLMA-Bratwurst. Doch diese ist roh, was manch einem offenbar nicht ganz Wurscht war, wie der Beitrag in «Schweiz aktuell» neues Fenster vom 3. Oktober 2003 zeigt. Trotz dieser Kontroversen wurde das Sujet noch im selben Jahr als eines der 100 besten Plakate im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet.

Vierzehn Jahre später entwarf Rachel Kühne, Schülerin der Fachklasse Grafik an der Schule für Gestaltung am Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum GBS in St.Gallen, das Jubiläumsplakat neues Fenster für die 75. Durchführung der OLMA. Die junge Uznacherin war dabei natürlich nicht die erste Frau, die ein OLMA-Plakat gestalten durfte. Diese Ehre wurde 1975 Rosmarie Kiefer zuteil, die als eine der damals noch wenigen Grafikerinnen gemeinsam mit ihrem Mann ein Atelier in Basel führte. Das Plakat neues Fenster war für sie vor allem ein Grund zum Stolz, es hatte jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf ihre weitere Karriere. Ganz anders war dies bei Jolanda Brändle. Das OLMA-Plakat neues Fenster von 2012 verhalf der Biobäuerin aus Mosnang zum nationalen Durchbruch als Scherenschnittkünstlerin. Ihre Werke bietet sie nicht nur in einem kleinen Laden vor Ort bzw. im Online-Shop an, sondern selbstverständlich auch an der OLMA.

Ähnliche spannende oder kuriose Geschichten verbergen sich auch hinter vielen anderen OLMA-Plakaten, die in die Geschichte der Schweizer Grafik eingegangen sind.